Ich erinnere mich noch gut daran, ich mag wohl sieben oder acht Jahre alt gewesen sein, als mein Vater mit mir sprach und mir den ersten Hauptsatz der Thermodynamik erklärte, nach dem die Menge
der Energie in einem System immer gleich bleibt. Dies gilt für ein in sich geschlossenes System.
Die vorhandene Energie kann jedoch innerhalb des Systems ihre Erscheinungsformen ändern: So kann Bewegungsenergie (kinetische E.) zum Beispiel in elektromagnetische Energie umgewandelt werden
oder in Licht (photonische Energie), oder elektrische Energie kann in Bewegung umgesetzt werden oder in Wärme, etc., etc., … In einem solchen System geht also keine Energie verloren, sie
wandelt lediglich ihre Erscheinungsformen. Mein Vater, ein physikalisch und technisch interessierter Radio-Fernseh-Techniker und Erfinder, sprach mit mir ebenfalls über das Bohrsche Atommodell
und erklärte mir einige Leitsätze der Quantenphysik. Kurz zusammengefasst lief es schließlich darauf hinaus, dass es Materie im eigentlichen Sinn, als festen Stoff, gar nicht gibt, ungeachtet
dessen, dass jeder von uns den Tisch unter den Händen spüren kann. Man kann es sich vielleicht ungefähr so, wie die Speichen eines sich drehenden Rades vorstellen, die sich als kompakte,
stoffliche Fläche präsentieren, wenn die Drehung nur schnell genug ist. Man kann sich sogar daran verletzen, obwohl der überwiegende Teil des Speichenrades aus scheinbar leerem Raum, aus Luft,
besteht und die Speichen selbst nur einen sehr geringen Anteil des Ganzen ausmachen. Dieses Feld der Möglichkeiten (Potenziale, Schwingungen), dass sich mir mit dieser Sichtweise eröffnete, hatte
für mich, bereits als Kind, etwas ungeheuer Faszinierendes und Befreiendes.
Ein weiterer Grundgedanke der quantenphysikalischen Betrachtungsweise ist die Erkenntnis, dass es den objektiven, vom Beobachteten getrennten, Beobachter nicht gibt. Der Beobachter ist
immer Teil des Experiments und seine Beobachtung hat, unvermeidbar, Einfluss auf das Ergebnis. Objektivität existiert somit genauso wenig, wie feste Materie! Welch eine Umwälzung der in den
dreihundert Jahren zuvor postulierten Grundannahmen (Descartes) materialistisch-mechanistischer naturwissenschaftlicher Erkenntnis bedeutete dieser Paradigmenwechsel!
Und doch, obwohl viele von uns inzwischen in der Schule, im Rahmen unseres Physikunterrichts, mit den Grundzügen des quantenphysikalischen Weltbildes in Kontakt gekommen sein mögen, herrscht in
den Köpfen der meisten, nach wie vor, das längst überholte materialistisch-mechanistische Denken vor. Ein Denken, das uns selbst als Spezies und unsere Umwelt/ Mitwelt bis an die Grenzen des
Belastbaren ausgebeutet hat und unsere Lebensgrundlagen, mittlerweile kaum übersehbar, gefährdet. Klimawandel, Pandemien und fortschreitende soziale Ungleichheit sind Folgen dieser
ökonomiebasierten, materialistischen Gesellschafts- und Naturbetrachtung.
Dabei ist es jetzt schon mehr als 100 Jahre her, dass eine ganze Reihe der wichtigen Entdeckungen der Quantenphysik veröffentlicht wurden. Um nur einige der Forscher zu nennen: von Max Planck im
Jahr 1900, Albert Einstein (1905) und Nils Bohr (1913) bis zu Werner Heisenbergs Unschärferelation im Jahr 1927. — Man könnte annehmen, das sei genug Zeit, um die Erkenntnisse der modernen Physik
in unserer Haltung zu unseren Mitmenschen und unseren Mitgeschöpfen gegenüber wirksam werden zu lassen, haben wir doch inzwischen die daraus resultierenden technischen Neuerungen, wie Computer,
Satellitenkommunikation und Mobilfunk vollumfänglich in unseren Alltag integriert, ohne dass jeder Nutzer deren Funktionsweise zu verstehen und zu erklären in der Lage wäre.
Soweit der eher komplexe Erklärungsversuch das Alleinstellungsmerkmal dieses Buches zu verdeutlichen.
Zu Beginn dieses Kapitels stellte ich in Aussicht, dies könne andererseits auch ganz leicht sein: Es ist deshalb leicht, weil wir die Grundzusammenhänge unseres Daseins schon seit Urzeiten
spüren, ahnen, fühlen und wissen. Ein Blick auf animistische und schamanistische Weltbetrachtungen der, lange Zeit als „primitiv“ diskreditierten, sogenannten „Naturvölker“ verdeutlicht dies. In
deren Betrachtung ist alles belebt, auch anscheinend unbelebte Materie wie Steine, Berge oder Himmelskörper. Und der Mensch ist untrennbarer Teil des belebten Kosmos. Alles ist mit allem
verbunden. Aufgrund archäologischer Befunde, können wir davon ausgehen, dass der prähistorische Homo Sapiens (der moderne Mensch) und wohl auch der Neandertaler ebenfalls eine solche
animistisch-schamanistische Beziehung zu seinen Mitgeschöpfen und zu der ihn umgebenden Natur lebten. Der ungefähr 40.000 Jahre alte Löwenmensch aus dem Hohlenstein-Stadel und die wahrscheinlich
ebenso alte Venus aus dem Hohlefels, ebenso die Pferde-, Löwen- und Bärenplastiken aus der Vogelherd-Höhle im Lonetal, allesamt zu den bisher ältesten bekannten Kunstwerken der Menschheit
zählend, legen eine solche Lebens- und Glaubenswelt prähistorischer Menschen nahe. Musik wird in diesem Lebens- und Glaubenskontext von Beginn an ein wichtiger integrativer Bestandteil gewesen
sein, wurden doch bei den Ausgrabungen ebenso alte Flöten aus Schwanenknochen, Mammut-Elfenbein und Gänsegeier-Knochen gefunden.
Ein Vergleich der Schlussfolgerungen der modernen, quantenphysikalischen Physik mit animistischen und schamanistischen Vorstellungen der Naturreligionen, mit buddhistischen Denkweisen und
christlich-mystischen Glaubenswelten (Hildegard von Bingen, Meister Eckhart, Nikolaus von Kues) offenbart tiefgreifende Gemeinsamkeiten. Diese gilt es, in einem breiten gesellschaftlichen
Konsens, uns wieder bewusst zu machen, als gemeinsames Erbe, welches uns helfen kann, unsere Zukunft und die unserer Kinder und Enkel zu sichern und zu entwickeln.